monkey.
VÖ digital: 22.02.2013
MONDR043 (digital release)
Vertrieb: Rough Trade
Kontakt: monkey.
Kenner wissen: Café Drechsler existiert nicht mehr. Nun: das gleichnamige Wiener Traditions-Kaffeehaus schon, aber auch recht frisch im Lack. Die dito nicht gänzlich unbekannte Band aus derselben Metropole ist Geschichte… Oder nicht? Wir sagen lautstark: welcome back! Der König ist tot, es lebe der König.
Gegründet anno 2000 von Ulrich Drechsler, Oliver Steger und Alex Deutsch, später verstärkt durch DJ Zuzee von den Waxolutionists, sorgte die Gruppe durch die Alben "Café Drechsler" (2002) und "Radio Snacks" (2004) für Aufhorchen. Ersteres wurde in über 20 Ländern veröffentlicht. In Deutschland, Griechenland, Australien und Indonesien erreichte es Positionen in den Top-10 der Radio- und Clubcharts und wurde 2003 für den Amadeus Austrian Music Awards nominiert, musste aber gegen Joe Zawinul zurückstecken. "Radio Snacks" dagegen konnte 2005 einen "Amadeus" für das beste Album der Kategorie Jazz/Blues/World Music erringen. Trotzdem löste sich die erste Inkarnation der Formation - interner Streitigkeiten wegen - relativ rasch danach auf.
Anno 2013 hat Ulrich Drechsler, der dem Bandprojekt den Namen gab und gibt, kurzerhand ein eigenständiges, forsch fortschrittliches musikalisches Konzept entworfen und präsentiert Café Drechsler neu. In einem Outfit, das nur ein Ziel kennt - den Dancefloor. Das Quintett orientiert sich dabei am Besten, was die elektronische Musik zu bieten hat. Und schafft daraus eine unwiderstehliche Mischung aus Breakbeats, Jazz, Drum'n'Bass, Minimal & Detroit Techno.
Die ursprüngliche Rollenverteilung der unterschiedlichen Instrumente ist komplett aufgelöst. Im Mittelpunkt steht einzig und allein die Musik als Gesamterlebnis, dem sich alle Protagonisten unterordnen. Gewaltigen Anteil am frischen Sound haben die beiden österreichischen Keyboard-Wizzards David Helbock und Philipp Jagschitz, die einander phantastisch ergänzen und in Echtzeit das umsetzen, was in der Clubmusik ansonsten Sample-basierend abläuft. Dabei liefern sie mehr als bloße Sounds und Klangatmosphären, sondern tragen auch intensiv zur rhythmischen Umsetzung des neuen Drechsler-Klangkosmos bei.
Der Schweizer E-Bassist Patrick Zambonin und der österreichische Schlagzeuger Christian Eberle liefern rücksichtslos knatternde Beats und tieffrequente Subbässe. Und orientieren sich so ebenfalls vor allem an Spielregeln, die der Connaisseur sonst nur aus der steril studio-programmierten elektronischen Musik kennt. Ulrich Drechsler himself spielt sein Saxophon und seine Klarinetten nicht mehr nur als bloße Melodieinstrumente, sondern bindet sie konsequent mit ein und nutzt sie als extraordinäre Rhythmus- und Klangquellen.
Fazit: Drechsler ist vielschichtiger, zeitgemäßer und spannender geworden, ohne dabei das ursprüngliche Ziel aus den Augen zu verlieren - das Publikum zum Tanzen zu motivieren. Anfangs darf man noch in der samtweichen Plüsch-Bestuhlung rumwetzen. Eventuell aber auch ab dem ersten Ton aufspringen und dem Zucken der Gliedmassen nachgeben.
Der erste Vorbote auf das kommende Album - nach klassischem Format eine EP - trägt den programmatischen Titel "Wake Up To The Present". Vier Tracks definieren "the shape of things to come". Das titelgebende Stück verzahnt die unterschiedlichen Hemisphären gleich wunderbar - hie atmosphärisch prägende, weite, jazzige Flächen, da geheimnisvolle elektronische Thriller-Elemente und das Surren und Knarzen der Maschinen. "The Blowoff" und "Proof Of Life" verstärken und verschärfen den Eindruck. "Let's See What The Day Holds In Store" ist softer, klassischer, getragener. Eine formidable Abrundung für einen Appetizer, der definitiv Lust auf mehr macht.
WILLKOMMEN IM NEUEN CAFÉ DRECHSLER.