monkey. / Universal
VÖ AUT: 30.09.2005
VÖ GER: 16.01.2005
VÖ CH: 03.02.2006
MONCD010 (Album)
VÖ AUT: 15.02.2006
VÖ WW: 16.01.2006
MONMAX001 (12" Vinyl)
Vertrieb: Hoanzl, Broken Silence
Kontakt: Georg Rosa
„Im Herbst: 65er, Staatsakt, Orden, etc.“ stand da auf dem Papier. Schwarz auf weiß. Unleugbar. Außerdem: „Attersee bei unter-40jährigen eher unbekannt, auch als Musiker“. Ein vernichtendes Urteil im Steno-Stakkato. Ich gebe es zu: so läuft das nun mal in der Musikindustrie anno 2005. Nein, war ein milder Scherz, letzteres. Eine Musikindustrie in Österreich, abseits des Holender/Netrebko/Moik-Musikantenstadls, so etwas gibt es nicht. Gab es nie. Und der Rock’n’Roll, meine Damen und Herren, und erst recht das grell glitzernde Schlag-, Stich- und Kunstwort Pop (im Warhol’schen Sinne) - das waren und sind hierzulande gleichermaßen Schimären. Trugbilder, denen man nachhängt. Projektionen, die man nachstellt. Mythen, die man nach erzählt. Und diese Nacheiferung gelang und gelingt nur in den seltensten Fällen. Dort, wo man der übermächtigen Vorlage aus England oder Amerika etwas Ureigenes, Verqueres, originär Österreichisches beizumischen vermag. Wo die Blaupause nicht den Klang von Westernstiefeln und Harley Davidsons beschwört oder das Lebensgefühl im datenvernetzten Underground Londons, sondern Schmalzbrote, Puch-Mopeds und Rosegger. The Sound of Musik, hierzulande. Bis weit in die neunziger Jahre hinein. Falco zum Beispiel hat das verstanden. Als einer unter ganz wenigen. Think global, act local. Und vice versa. Und immer fest auf den Tisch hau’n dabei. Ganz ohne Genierer.
Ach ja: Attersee. Eventuell ist Attersee, nach Falcos Abgang, der letzte Rockstar Österreichs (Ronnie Urini wird protestieren, aber lassen wir den mal beiseite). Und er weiß es. Ganz im Gegensatz zu meiner Mitarbeiterin, die die eingängliche, so schnöde Kurzbeurteilung unseres Protagonisten zu Papier brachte. Von wegen: „Bei Unter-40jährigen eher unbekannt“. Ja, woher sollen denn die das auch wissen? Dafür sind ja Propaganda-Agenturen da, jung, schick, affig. Und Remix-Alben. „Blut“, ja doch. Da treiben es unzweifelhaft im Hier & Heute verankerte Musiker-Jungspunde (ha!) mit auffälligen Namen (Fake Fellini, Don Summer, aleX Deutsch) ganz schön bunt (oho!). Pfeifen sich gar nichts. Investieren auch schon mal eigenes Herzblut. Und fortgeschrittene Studio-Kenntnisse. Die vitale Konserve, die Essenz, die Vorlage aber liefert Attersee himself. Und wenn der Meister dann einreitet in die Mitarbeiterbesprechung, wo Songreihenfolge und CD-Auflagenhöhe und dergleichen mehr final diskutiert werden sollen, dann spielt’s Granada. Ein deutscher Rapper fliegt hochkant von der Platte, „zu miserable Texte!“. Dafür kann Attersee seinen Namen nicht hergeben. Dann schon lieber selbst vors Mikrofon, tunlichst am nächsten Tag noch. Und natürlich soll und darf und muss das Cover mindestens so stimmig und auffällig werden wie damals jenes für den Heller Franzl. Und das Booklet ein radikales künstlerisches Statement, oszillierend zwischen Heimatklischees und Marvel-Comics. Rock’n’Roll! Ich ahne inzwischen, warum man die „jungen Wilden“ damals so genannt hat. Und jung und wild und voller sentimentaler Phantasie sind wir doch alle. Immer noch. Immer wieder.
Die Bilder und die Töne und das greifbar Unbegreifliche dazwischen, das alles erzählt von Lust. Lebenslust. Liebeslust. Atterseelust. Und einer Menge Lust an (und Wissen um) Musik. In den Liner Notes zu „Blut“ wird ausführlicher darauf eingegangen, wie sich das gehört für ordentliche Begleitmaßnahmen zum privatistischen Staatsakt. Was mich aber, abseits aller Fakten, Fakten, Fakten wirklich fasziniert, ist dieses leicht laszive Foto von Attersee auf der Rückseite der CD. Mehr noch als das – auch nicht gerade uninspirierende – Bildnis auf der Front. So sah Pop aus Ende der sechziger Jahre in Österreich. So, und nicht anders. Und natürlich hatten auch der junge Heller und der junge Ambros und die Herren von Novaks Kapelle dieses gewisse, selbstbewußte, stechende Etwas im Blick wie die großen Vorbilder aus Übersee (Dylan, Jagger, Morrison et al) – aber der Gedanke läßt mich nicht los, dass es hierzulande kaum jemand so drauf hatte wie Attersee. Und wenig, eigentlich: nichts verloren hat davon. Ich werd’ mir jetzt mal ein paar Bilder anschau’n gehen aus dem Atelier dieses Herrn. Die Tonspur giert förmlich nach Bildern.
Ach ja: die hoffnungsvolle Aspirantin im Industrie-Propaganda-Bureau sieht mich an. Meine Mitarbeiterin. Etwas ungläubig. Etwas perplex. Das soll ein Pressetext sein? Zu „Blut“, der brandaktuellen, superschicken, feingewirkten Attersee-Jubiläums-Sound-Hommage? Von wegen Staatsakt, Orden etc. pipapo. Aber ja doch. Lassen wir es gut sein. Lassen wir es krachen. In „Google“ nachschlagen können die Gralsritter der Journaille allemal noch nach dem vierten Holunder-Schnaps. Sofern das dann noch gefragt ist. Sofern das jemals gefragt war.