Verve Records
VÖ: 30.05.2014
Vertrieb: Universal
Kontakt: Georg Rosa
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Die flockigen, unglaublich sublimen, brasilianischen Musikstile haben sich in den letzten Dekaden wie ein sich langsam vorwärtsleckender Flächenbrand über den Globus ausgebreitet. Der introspektive Gesangsstil, die ungewöhnlichen Harmonien, die raffinierte Schlichtheit haben sich gegen das hohle Scheppern und vordergründig Gefühlige der gängigen Popmusik auf jene sanfte Art durchgesetzt, wie junge Bäume mitunter selbst Asphalt überwinden. Spätestens seit der Erfindung des Bossa Nova durch Joao Gilberto und Antonio Carlos Jobim in den späten Fünfzigerjahren wurde brasilianische Musik zum Inbegriff eines verfeinerten Lebensstils der global ausstrahlte. Überblickt man die letzten fünfzehn Jahre DJ-Culture, dann findet man viele große Namen wie Joe Davis, Kevin Beadle und Gilles Peterson, die die mannigfaltigen Stile Brasiliens in die digital gedopten Sounds neuerer Nachtclubs brachten. Die südlichen Rhythmen bewegten sich ganz offensichtlich unaufhaltsam wie Pilzsporen über die Kontinente. Die damit infizierten Aficionados mußten mit den Exotica versorgt werden. Deshalb erschienen Reeditionen von als klassisch angesehenen Alben. Neue Bands, fernab des brasilianischen Mutterlands begeisterten mit Bossa und anderen Stilen. Dass auch zahllose Kompilationen entstanden, war auch selbstverständlich. Brasilianische Sounds haben – zumindest in der warmen Jahreshälfte- auch in den Nebelländern Saison. Die Sonne regt die Sinne hiesiger Menschen gewaltig an. Vor allem heuer, wo Brasilien Gastgeber der Fußball-WM ist, werden Europäer ein Sensorium für vertrackte, tropische Stile entwickeln, von dessen Möglichkeit sie vorher nichts geahnt haben.
Pilots On Dope tragen der zu erwartenden Euphorie mit einem superben Album Rechnung. Hinter diesem schmucken Nom de plum verbergen sich zwei bekannte, musikalische Aktivisten. Die beiden Wiener Gerhard Gigler (DJ Bunani) und Gerald Tomez betätigen sich auf ihrem aus exquisit neu eingespielten Coverversionen bestehenden Album als Couturiers elegantester Arrangements. Sie wagten sich an Juwelen wie Jorge Bens „La Vem Salgueiro“, Wilson Das Neves´ „Que È Isso Menina“ und sogar an Henry Mancinis „Melhor Esta Noite“. Beeinflußt durch Library Sounds, klassischen Bossa Nova und Cool Jazz zeichnen die beiden Spannungsbögen, wie man sie lange nicht mehr gehört hat. Von den Vokalisten dieses Projekts, darunter der versatile Wilson Simoninha, die charmante Rosalia de Souza sowie die aufstrebende Jenny Chi, geht rare Soulfulness aus. Das Brasilien, das sich dem Hörer hier vor dem inneren Auge auftut, ist eines in jenen Kodakchrome-Farbtönen, die man aus alten Pink-Panther- und James-Bond-Filmen kennt und liebt.
Dass dieses formidable Debüt den Namen „Udopeia“ trägt, charmiert ungemein. Das Utopia, nach dem die Pilots On Dope suchen, findet sich zu Teilen in einer Vergangenheit, deren Verheissungen immer noch erstrebenswert sind. Mit Hilfe von flamboyanten Instrumentalisten von der Klasse eines Harri Stojka und Geri Schuller kreierten Gigler und Tomez ihren ganz eigenen, ortlosen Ort, ein Idyll der Gedanken und Gefühle, das sich nicht vom derzeit grassierenden, schnöden Effizienzwahn kontaminieren läßt. Man sieht förmlich den Malandro, diese von der Bossa-Bewegung heroisierte Figur des fatalistischen Herumtreibers, in aller gebotenen Gelassenheit durch sämtliche hier gebotenen Kulissen von Sehnsucht und Übermut, Melancholie und simpler Daseinsfreude wandeln. Den Kampf um eine schönere, entspanntere Welt – den haben die Pilots On Dope mit dieser feinen Liedsammlung bravourös in Angriff genommen. Lassen wir sie in unseren Köpfen und Herzen landen! © Samir H. Köck